Neuerscheinung: „Quality before Quality“ – Der Loop als subversive Strategie in I LOVE LUCY – von Christine Lang 

I LOVE LUCY ist eine der erfolgreichsten Serien der Fernsehgeschichte. Sie gilt als eine der Sitcoms, die dieses Genre in seiner bis heute gültigen Form begründet haben. In den USA erreichte sie eine Einschaltquote von bis zu 73% und 1956 als erste Sendung überhaupt circa zehn Millionen Haushalte.11 Ihre Protagonistin Lucille Ball ist der erste ‚Superstar’ der Fernsehgeschichte, dem erst vierzig Jahre später mit Roseanne Barr (ROSEANNE, ABC 1988-97) eine vergleichbar populäre weibliche Fernsehdarstellerin folgen sollte.(1)

I LOVE LUCY ist verankert in der US-amerikanischen Popkultur. Der Erfolg der Sitcom brachte in der Unterhaltungsindustrie viele Nachahmungen hervor (z.B. OZZIE AND HARRIET, ABC, 1952-1966; MAKE ROOM FOR DADDY, ABC/CBS, 1953-1965; FATHER KNOWS BEST, CBS/NBC, 1954-1960), denen es aber nicht gelang, an die popkulturelle Distinktion von I LOVE LUCY anzuschließen.(2) Teils mag die Spezifik I LOVE LUCYs im einzigartigen komödiantischen Talent Lucille Balls begründet sein. Ihre Figur Lucy ist von einer Art anarchistischem Dadaismus geprägt, in einer ähnlichen Weise, wie es für Jerry Lewis im Kino gilt. Lucille Balls Performance durchbricht immer wieder zunächst normal erscheinende Situationen und Zustände durch unvermittelte Ausbrüche energetischer Verrücktheit, infantiler Ungehemmtheit und ungezähmtem Enthusiasmus.(3) Der performative Anarchismus in I LOVE LUCY erzeugt eine Form der Kritik an existierenden sozialen Verhaltensnormen – anders als in den ihr historisch nachfolgenden Sitcoms, die es darauf anlegen, eine Art affirmativer „domestic-harmony-as-paradise message“(4) zu vermitteln. (…)

 

1) Vgl. Steven D. Stark, Glued to the Set: The 60 Television Shows and Events That Made Us Who We Are

Today, New York 1997, S. 35. Lucille Ball war schon vor der Fernsehkarriere erfolgreiche Schauspielerin in

Hollywood. Sie spielte zuvor in über 50 Kinofilmen mit, galt aber eher als „Queen of the B’s“.

2) Lawrence Mintz, „Situation Comedy“, in Brian G. Rose, Robert S. Alley (Hg.), TV Genres: A Handbook and

Reference Guide, Westport, Connecticut 1985, S. 107-130, hier: S. 109.

3) Ibid.

4) Ibid.

 

In:

Thomas Morsch, Lukas Foerster, Nikolaus Perneczky (Hg.)
Before Quality. Zur Ästhetik der Fernsehserie vor HBO, Netflix und Co
Reihe: Film und Fernsehen Bd. 9, 2019, 232 S., 24.90 EUR, 24.90 CHF, br., ISBN 978-3-643-13755-5

Wenn in den vergangenen Jahren ästhetische Innovationen im Feld serieller Ästhetik in den Blick genommen wurden, so war häufig von „narrativer Komplexität“ und „neuer Intelligenz“ die Rede, bezogen stets auf aktuelle Serienproduktionen von Pay-TV-Sendern und Streaminganbietern. Der vorliegende Band problematisiert die diskursive Dominanz des sogenannten Quality-TV und unterbreitet den Vorschlag, die Serienforschung durch eine verstärkte Historisierung neu zu perspektivieren. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Genre der Sitcom, das gängige Qualitätskriterien auf besonders originelle Weise in Frage stellt.

 


 
 
 

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